Emotionale Diskussion zum Koalitionsvertrag

Zustimmung zum ausgehandelten Koalitionsvertrag – ja oder nein? Darüber dürfen alle SPD-Mitglieder noch bis zum 29. April abstimmen. Parallel dazu gab es in zahlreichen Online- und Präsenzveranstaltungen die Möglichkeit, mit SPD-Bundestagsabgeordneten und der Parteispitze intensiv zu diskutieren.
Kreis Rottweil – Zusammen mit der Betreuungsabgeordneten Derya Türk-Nachbaur aus dem Nachbarwahlkreis Schwarzwald-Baar und dem SPD-Kreisverband Tuttlingen lud der SPD-Kreisverband Rottweil mit seinem Vorsitzenden Mirko Witkowski zur Diskussion über den Koalitionsvertrag ins Haus am Adlerbrunnen nach Dunningen ein.
Wie sehr um jedes Wort und jedes Ergebnis gerungen wurde, machte Derya Türk-Nachbaur an einigen Beispielen aus der Verhandlungsgruppe „Europa“ deutlich, in der sie selbst den Koalitionsvertrag aktiv mitverhandelte. „Uns liegt jetzt ein solides Arbeitspapier vor mit vielen guten Punkten und mit einer deutlichen sozialdemokratischen Handschrift. Klar ist aber auch, dass der Koalitionsvertrag keine Jubelstürme auslösen wird.“ Mit dieser Bilanz stieg die Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Schwarzwald-Baar ein in die Inhalte des mit der CDU/CSU ausgehandelten Vertrages.
Man habe für die Wirtschaft einige Verbesserungen vorgesehen, die Kommunen werden entlastet, der Mindestlohn von 15 Euro und die Tariftreue sind im Vertrag verankert, die doppelte Staatsbürgerschaft bleibt erhalten und an vielen Stellen habe die SPD erfolgreich dafür gekämpft, Errungenschaften zu erhalten. Natürlich gäbe es auch Themen, die für Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nur schwierig zu akzeptieren sind. So ist die Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes durchaus kritisch zu sehen, ebenso wie die Zurückweisung von Asylsuchenden an den Grenzen. Hier sei es aus SPD-Sicht zwingend notwendig, dass ein solches Vorgehen nur in enger Abstimmung mit den Nachbarländern stattfinden kann. Es reiche nicht aus, unsere Nachbarn nur darüber zu informieren, so Türk-Nachbaur deutlich.
Die zahlreich erschienenen Genossinnen und Genossen nahmen die Gelegenheit gerne wahr, ihre Fragen und kritischen Anmerkungen zum Koalitionsvertrag zur Diskussion zu stellen. Die Krankenhausreform müsse unbedingt weiter verfolgt werden, sie dürfe aber nicht über die Krankenkassenbeiträge finanziert werden, so forderte der ehemalige Bundestagsabgeordnete Klaus Kirschner. Er wollte auch wissen, ob sich die Partei fernab vom Koalitionsvertrag Gedanken mache, wie man Wählerinnen und Wähler zurückgewinnen könne.
SPD-Kreisvorsitzender Mirko Witkowski bat darum, den freiwillig geplanten Wehrdienst weiterzuentwickeln zu einem verpflichtenden Dienstjahr für alle. Dieses solle seiner Meinung nach in einem selbst ausgewählten Bereich stattfinden. So könne sich jeder dort für die Gesellschaft einbringen, wo auch das persönliche Interesse vorhanden ist.
Die Finanzierung der Rente lag Sebastian Haischt am Herzen. Er könne sich vorstellen, über den Kapitalmarkt eine bessere Sicherung der Renten zu erreichen als durch starre Einzahlungen in die Rentenkasse.
Sorgen um die Stationierung von Raketen in Deutschland machte sich Ansgar Fehrenbacher. Er vermisse im Koalitionsvertrag Aussagen zu einer entspannenden europäischen Verteidigungspolitik. Außerdem war es für ihn nicht nachvollziehbar, warum die Zahl der Einwanderer über die Balkanregelung von 50 000 auf 25 000 Personen reduziert werden soll. Man habe schon jetzt einen Fachkräftemangel.
Für Werner Klank beinhaltete der Koalitionsvertrag zu wenig Klimaschutz. Dieses Thema sei eine der größten Herausforderungen der Zukunft und werde zu wenig beachtet. Insgesamt stellten die SPD-Mitglieder fest, dass im Vertrag wenig zu einer gerechteren Umverteilung festgeschrieben steht. Hier verwies Derya Türk-Nachbaur aber auf die entsprechenden Ressorts, die durch ihr Budget entsprechende Schwerpunkte setzen werden.
Nach rund zwei Stunden intensiver und emotionaler Diskussion hatten alle Mitglieder einen guten Einblick in das, was aus SPD-Sicht im Koalitionsvertrag verhandelt wurde. Während einige der Mitglieder bereits ihre Stimme online abgegeben hatten, waren andere noch unschlüssig und wollten sich nach der Diskussionsveranstaltung erst festlegen. Noch bis zum 29. April können die SPD-Mitglieder über eine Zustimmung zum Koalitionsvertrag abstimmen. Am 30.April soll das Ergebnis dann verkündet werden.